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From: Dieter Braun <mail@dieterb.de>
Subject: Zinsgeschichte zu Symmetriegeld.

Hi,

Ein kleines Erkenntnisgeschichtlein rund um den Zins und zur Definition
von, nennen wirs: Symmetriegeld. Ist leider ein bißchen lang geworden.
Das Geschichtchen ist mir gestern nach langen Diskussionen mit Robert
um den bargeldlosen Transfer mit den Feynmangraphen langsam
klargeworden. Also, machen wir uns auf den Weg:

Es war einmal ein Staat, in dem es zwei Währungen gab. Nennen wir
die eine Dollar und die andere Euro. Man konnte in den Läden in Dollar
und in Euro zahlen, zu jeweils etwas anderen Preisen. Dieses Land war sehr
fortschrittlich, es gab nur noch bargeldloses Kreditkartengeld, das auf Girokonten
herumgeschoben wurde. [Wir nehmen auch einmal an, es gab keine anderen
Geldmöglichkeiten, d.h. keine Sparbücher, Aktien oder sonstiges, auch wenn
das für die Geschichte nicht wirklich wichtig ist.]. Die Banken hatten sich schon
seit Jahren auf 10% Zins auf negative Giroguthaben und 5% Zins auf positive
Giroguthaben eingependelt. Trotzdem, um die Geschichte nicht weiter zu
verkomplizieren, gabs ein konstantes Wirtschaftswachstum von 7.5%.
[Lieber wäre mir Beispiele mit -2% und +2% und 'Stagnation', aber das
klingt dann so komisch für viele Ohren]. Also, soweit, so bekannt.

Doch das Land hatte in seinem Bankensystem eine Besonderheit. Der
Grund dafür wird hoffentlich später klarer werden: negative Giroguthaben wurden in
Dollar, positive Giroguthaben in Euro gezeichnet. Wenn ich also positives
Guthaben bei der Bank hatte, zahlte ich in Euro, wenn ich in den Miesen war,
und mich weiter verschuldete, zahlte ich in Dollar. Es gab also für Nichtbanken
die 'positive' Währung Euro und die 'negative' Währung Dollar.

Warum das? Nun, die Leute hatten verstanden, daß ein Zinssatz eine Inflation
darstellte, eine Geldmengenerhöhung in den Activa/Passiva der Banken/Nicht-
bankenbilanzen. Und da sie nun sahen, daß systematisch von den
Banken für ihre negativen Guthaben ein anderer Zinssatz wie für die positiven
Guthaben erhoben wurde, war ihnen klar, daß dies unterschiedliche Inflationen
darstellten. Und weil sie die Sache noch nicht so ganz überblickten, wollten sie
volle Marktwirtschaft etablieren und diese beiden Inflationen auch in zwei
Währungen dargestellt haben, damit der Markt mit diesen beiden Inflationen
umgehen konnte.

Die Bankenpassiva, das Guthaben der Nichtbanken, war also in Euro dargestellt,
die Bankenactiva, die Schulden der Nichtbanken, war in Dollar angegeben.
Was bedeutete das beim Bezahlen? Wir haben beim bargeldlosen bezahlen
vier Fälle:
a) Der Geldnehmer hat positives Euroguthaben, der Geldgeber negatives Dollarguthaben.
     Es erfolgt eine Buchgeldschöpfung: Euro für den Geldnehmer wird geschöpft und
     Dollar für den Geldgeber. Der Geldnehmer hat dann mehr Euroactiva, der  Geldgeber
     mehr Dollarpassiva. Spiegelverkehrt hat die Bank Europassiva und Dollaractiva
     angehäuft. (Doppelte Geldschöpfung, wie auch von Zentralbankprozessen bekannt.)
     Wieviel Euro nun geschöpft wird und wieviel Dollar, hängt vom aktuellen Umtausch-
     kurs ab.
b) Die Buchgeldvernichtung, der umgekehrte Prozess zu a. Der Geldnehmer hat negatives
     Dollarguthaben, der Geldgeber positives Euroguthaben. Buchgeld wird vernichtet, d.h.
     Dollar in Form von Geldnehmerpassiva und Bankactiva verschwindet wie auch Euro in
     Form von Geldgeberactiva und Bankpassiva. Wiederum zum aktuellen Umtauschkurs.
c) Der (Bank)passiventausch. Der Geldnehmer hat positives Euroguthaben und der Geldgeber
     hat auch positives Euroguthaben. Die Euroactiva bei den Nichtbanken Geldgeber und
     -nehmer wechseln die Besitzer, genauso auch in der Bankbilanz die zugeordneten Passiva.
     Kein Umtausch ist nötig, so wie die Bank beim Geber ein EuroActiva-Passiva-Paar vernichtet,
     entsteht es instantan beim Nehmer.
d) Der (Bank)activentausch. Der Geldnehmer hat negatives Dollarguthaben, der Geldgeber
     auch. Wie in c, nur ist nun ein Dollarpassiva zwischen den Nichtbanken Geber/Nehmer
     unterwegs und Dollaractiva tauscht in der Bankbilanz die Plätze.

Soweit so gut, wir sehen, wie wir die Wirtschaft mit den beiden Währungen ganz normal
am Laufen halten können, nichts wirklich besonderes passiert, es erscheint nur ein bißchen
umständlich. So umständlich halt, wie wenn man zwischen Deutschland und Amerika
Geld transferiert.

Nun tasten wir uns langsam an den Zins heran und sagen, daß wir am Anfang ein Wirtschaft-
system hatten, in dem der Wert des Euro gleich dem des Dollars ist. Die Dollar und Euro-
preise in den Läden ist derselbe, d.h. wenn Leute in der Situation (c) etwas kaufen, zahlen
sie dasselbe in Euro, wie in Situation (d), die Leute in Dollar. Bei (a) kommt beim Nehmer
genausoviel Euro im Plus dazu, wie beim Geber in Dollar entsteht, umgekehrt in (b).

ABER nun ist ein Jahr vergangen und die Bank macht die obig angedeutete Zinsrechnung,
(die natürlich genaugenommen als schleichender Prozess über das ganze Jahr am laufen
ist, man könnte davon ausgehen, daß die Banken diese Zinsrechnung stündlich machen,
aber gut). Wir haben nach der Zinsrechnung nun plötzlich mehr Dollar auf dem Markt als
Euro: die Bank nun 10% mehr Dollaractiva (alle Nichtbanken zusammen '10% mehr'
Dollarpassiva), die Europassiva in Bankenhand (=Euroactiva aller Nichtbanken) haben
aber nur 'um 5%' zugenommen. (OKOK, die 10% und 5% sind nicht genau mathematisch
zu verstehen, da die Leute ja übers Jahr unterschiedliche Kontostände haben, die Dollar-
und Eurogeldmengen schwanken usw...)

Das merkt der Markt, der natürlich superdolle informiert ist, natürlich sofort: die Preise in
den Läden für den Dollar gehen nach oben, die für den Euro nach unten [wir haben ja
7.5% Wirtschaftswachstum angenommen, bei weniger würden beide Preise ansteigen,
Dollar mehr als Euro, aber das sind alles Details. Das ist analog zur Situation zwischen
Reagan-Amerika und Kohl-Deutschland, wenn Amerika eine Dollar-Inflation triggert, dann
bekommt man für eine DM eben mehr Dollars.] Aus Sicht der Nichtbanken trifft die
Inflation ihre Schulden (definiert als neg. Guthaben) stärker als ihre Guthaben. Da die Preise
aber zwischen Schulden und Guthaben (Dollar und Euro) unterscheiden, spielt das keine
Rolle: die Schulden können immer noch genausoviel Kaufkraft zur Tilgung ansaugen, die
die Guthaben Kaufkraft tätigen können. (Wenn Dollar=Euro festgesetzt wird, ist das nicht
der Fall: die Schulden sind überbewertet und müssen mehr Kaufkraft saugen, als an Guthaben
überhaupt tätigen kann, wir laufen in einen zeitlich versetzten Aufschuldungsprozess (??).)

Wie ist die Situation aus Sicht der Bank? Bei Dollar=Euro freut sie sich über den Anstieg
ihrer Dollar-Activa im Gegensatz zu den Euro-Passiva. Das schlägt sich in ihrer Bilanz
als Gewinn nieder. Wenn der Markt allerdings die Preise für Euro niedriger ansetzt wie für
Dollar, wird ihr Zinsgewinn genau wieder ausgeglichen. [Wir gehen hier einmal von konstanten
Umlaufgeschwindigkeiten für Dollar und Euro aus - man sollte das noch einmal genauer
in dieser Richtung anschauen]. Die Bank kann bei einem vollständig informierten Markt von
ihrer differenziellen Inflation nicht profitieren. Sie muß ihr Glück bei Kontogebühren und
Schuldenbündelungsgebühren und sonstigem suchen - Dienstleistungen, die ja weiterhin
gebraucht werden.

Unsere jetztige Situation ist hingegen gekennzeichnet vom Nichtwissen des Marktes,
ob es mit Dollar oder mit Euro etwas bezahlt: Kontostände sind Bankgeheimnis und
damit ist unklar, ob mit Euro oder mit Dollar bezahlt wurde. Aus diesem Wissensgefälle
kann die Bank ihren Zinsgewinn schlagen.

Gehen wir noch einen Schritt weiter, könnten wir ähnliche Activa-Geld/Passiva-Geld
Aufteilungen auch bei der Zentralbank anführen. Ihre Schöpfung von Geld entspricht
ziemlich genau den bargeldlosen Transfers. D.h. auch dort könnten wir den Geldscheinen
(Nichtbanken Activa, Zentralbanken Passiva) eine weitere Währung entgegenhalten,
die als Nichtbanken Passiva und Zentralbanken Activa auftaucht. Ich würde momentan
sagen, so eine Währung gibt es nicht, da diese nicht über den Markt läuft und damit keine
Umlaufgeschwindigkeit hat und Preise erzielt. Aber ich blicke das mit den Zentralbanks-
aktionen noch nicht so ganz, erfüllen nicht Obligationen obige Bedingungen für diese
Spiegelwährung? Sorry, ist schon spät.

Was haltet ihr von solchen Gedankengängen? Ich bin grad ganz hippelig.

Gruß,
Dieter.