Ernst Dorfner

ATTAC und die demokratische Kontrolle 

der strukturellen Ohnmacht der Zentralbank

oder 

Vom Glauben und Wissen

über Kredit, Geld und den Geldumlauf
Geld: Von der Zentralbank bereitgestellt?
ATTAC – das Netzwerk für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte – , inzwischen in 30 Ländern vereinsmäßig organisiert, fordert konkret folgende Maßnahme[i]:
Was nun aber verbirgt sich konkret hinter diesen Zauberwörtern „Demokratisierung“, „demokratische Kontrolle“? Gegen wen oder was richtet sich die ATTAC-Angriff? Wissen die Initiatoren überhaupt, wie dieser Organismus funktioniert, an den sie sich chirurgisch heranwagen? Zweifel sind angebracht.So wird angemerkt, dass „derzeit eine verstärkte Kampagne zur Aufnahme der Tobinsteuer in einem UNO-Papier zur Geldbeschaffung für ein neues Entwicklungsprogramm“ läuft. Ergeben sich da nicht Ungereimtheiten hinsichtlich des von dieser Steuer zu erreichenden Zieles: Kapitalverkehrskontrolle oder Geldbeschaffung? Wenn es um letzteres geht, darf dann diese Kuh beim Abweiden saftiger Wiesen überhaupt kontrolliert werden?
Doch es bleibt nicht allein bei dieser Ungereimtheit.
Beginnen wir bei letzten Punkt, der demokratischen Kontrolle der EZB.

In einem Papier des ‚Beirates für Gesellschafts- Wirtschafts- und Umweltpolitische Alternativen’ (BEIGEWUM) [ii] wird diese Kontrolle wie folgt beschrieben:

  1. Die EZB hat ihren jeweiligen geldpolitischen Beitrag für die Realwirtschaft zu begründen, um das Ziel der Preisstabilität als allgemeine Legitimation für jede spezifische geldpolitische Maßnahme zu durchbrechen.
  2. Der EZB-Rat (das Entscheidungsgremium der EZB) hat das Ergebnis seiner Beratungen zu veröffentlichen. 
Was immer die Verwirklichung dieser Forderungen bewirken kann, sei dahingestellt. Jedenfalls wird aber damit die Meinung vertreten, dass die EZB bzw. die Zentralbanken die Fähigkeit haben, die Geldpolitik zu gestalten bzw. die Steuerung der Geldmenge und der Zinssätze in den Händen zu halten. Dies ist aber stark in Zweifel zu ziehen. Bereits bei oberflächiger Betrachtung der Geldmenge zeigt sich sehr rasch, dass diese ja zum Großteil – rd. 80 Prozent – nicht von der Zentralbank bereitgestellt wird, sondern von den privaten Geschäftsbanken[iii].
Der Grundfehler, den allzu viele – auch ATTAC – begehen, ist darin zu suchen, dass sie sich überhaupt nicht damit beschäftigen, was denn Geld überhaupt ist, wie es „bereitgestellt“ wird, was sich mit seiner Bereitstellung alles verbindet, was diese bewirkt.
„Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken, als in der Befreiung von den alten, die sich bei allen, die soerzogen wurden, wie die meisten von uns, bis in die letzten Winkel ihrer Geistesart verzweigt.“ So schreibt John M. Keynes im Vorwort zur englischen Ausgabe seiner ‚Allgemeinen Theorie“. Nirgends scheint dieser Satz so berechtigt wie bei Thema „Geld“. So gibt es nun seit mehr als fünfzehn JahrenBeiträge zu einer Neuinterpretation dessen, was Kredit und Geld ist, wie Kredit bereitgestellt und Geld geschaffen wird. Wiewohl diese Bemühungen nicht ganz ohne Erfolg geblieben sind, die Meinung, dass Geld durch Verschuldung entsteht, immer öfter zu hören ist, ist gleichzeitigimmer wieder zu erkennen, dass diese neuen Gedanken die alten Vorstellungen doch nicht gänzlich verdrängt haben. Allzu oft werden diese neuen Gedanken auf die alten Denkschemata nur aufgepfropft. So darf es nicht verwundern, wenn es bei theoretischen Diskursen immer wieder zu Verwirrungen kommt und die Diskutanten aneinander vorbeireden.

Um es konkret zu sagen: Die Theorie, dass Geld durch Verschuldung entsteht, wird an die noch immer vorherrschende Tausch(mittel)-Theorie des Geldes angehängt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil ja diese Theorie nicht klärt, wo Geld herkommt, wie Geld entsteht und wie es in den ‚Geldkreislauf’ hineinkommt. So meint man, mit der Verschuldungshypothese dieses Manko auszugleichen, alles andere aber weiterhin so wie bisher sehen zu können.

Die Tauschtheorie: Am Anfang ist die Tauschware

Paul A. Samuelson schreibt in seinem Standardlehrbuch: „In allen Kulturen, mit Ausnahme der allerprimitivsten, tauschen die Menschen nicht direkt ein Gut gegen ein anderes. Statt dessen verkaufen sie ein Gut gegen Geld und verwenden dann dieses Geld zum Kauf der Güter, die sie erwerben wollen.“Samueölson dann weiter:„Statt eines doppelten Zufalls gleicher Bedürfnisse gibt es eher einen Bedarf an Zufall; nur wenn ein hungriger Schneider einen unbekleideten Bauern trifft, der über Nahrungsmittel verfügt und sich Hosen wünscht, können beide einen Handel abschließen. Geld vereinfacht das Wirtschaftsleben.“[iv]
Mit dieser ‘doppelten Koinzidenz’ wird der Vorteil des Geldes erklärt. Und allein bei diesem einzigen Vorteil bleibt es auch. Wobei Geld ganz einfach da ist.
Geld ist in diesem Sinn eine Tauschware, das zwar gebraucht, aber nie verbraucht wird. Als diese Tauschware, so die Vorstellung, wird Geld von einem Wirtschaftssubjekt zum nächsten und wieder zum nächsten im Austausch für eine Verbrauchsware[v] weitergegeben. Also von A zu B zu I zu R zu Z zu B zuG zu X zu A zu ....Diese Tauschware ist genau so selbstverständlich da wie jede andere Ware. Sie wird von irgendjemanden als Ware hergestellt und im Austausch gegen eine andere in Umlauf gebracht. Und da nicht verbraucht, bleibt sie auch immerfort darin, soferne sie als Ware nicht zurückgehalten wird.
Wird diese Tauschware als Schatzmittel zurückgehalten, so wird der Kreislauf unterbrochen. Daraus entsteht die herkömmliche Vorstellung vom Sparen und Verleihen von Geld: Die Tauschware, also ein Ding, wird gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt verliehen und so wieder in den Umlauf zurückgeschleust. Die Tauschware wird also gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht. Eine Verbuchung im Sinne der doppelten Buchhaltung findet dabei dannnicht statt, wenn ein Verleihen ohen Zwischeschaltung der Bank erfolgt, was ja hier beim Verleihen von Dingen möglich ist.Wenn aber über eine Bank verliehen- und verbucht - wird, dann steht im ersten Schritt, dem Verleihen des Geldes vom Kunden A an die Bank, dem Geldbetrag auf der Aktivseiteeine Verbindlichkeit gegen A gegenüber. Das Geld bleibt erhalten. Dies anzumerken ist wichtig, weil sich gegenüber unserem heutigen Geld hier ein entscheidender Unterschied zeigt. Die Verbindlichkeit ist eine in Geld. Erst im zweiten Schritt, wenn das Geld an C weiterverliehen wird, wird die Verbindlichkeit der Bank bzw. die Forderung des A eine Forderung in Geldvermögen.

Diese Tauschware ist ursprünglich das Gold – Gold als über die Goldgewinnung produzierte Ware. Diese Vorstellungeiner Tauschware bleibt beim Übergang zum Papiergeld erhalten, obwohl man weiß, dass dessen Produktion kaum mehr Kosten verursacht. So ist Geld in der üblichen Vorstellungswelt weiterhin ganz einfach da, so als ob es im Austausch gegen eine andere Ware in den Kreislauf gekommen wäre.

Dieses ‚ganz einfach Da-sein’ von Geld findet sich so bei Helmut Creutz, wenn er schreibt: „In einem Kreis gibt es keinen Anfang und kein Ende. Ein einmal in den Kreislauf gegebener Geldschein kann also endlos kursieren, ganz gleich, wofür er verwendet wird. Machen wir uns das an einfachen Modellen mit fünf Beteiligten klar.

A kauft bei B. – B benötigt das erhaltene Geld nicht und verleiht es an C. – C kauft bei D. – D verleiht es an E, der damit wieder bei A eine Leistung bezahlt. Der umlaufende Geldschein wurde also dreimal zum Kaufen und zweimal zum Verleihen benutzt. Hätte B den erhaltenen überschüssigen Geldschein nicht verliehen, sondern bei sich liegengelassen, so wären die nachfolgenden Vorgänge nicht möglich gewesen. Dieses einfache Beispiel zeigt, welche Gefahren von Geldzurückhaltungen ausgehen.“ [vi]

Aus diesem Modell wir klar erkennbar, was unter Geld, Kredit und Geldumlauf verstanden wird. Dabei werden folgende Voraussetzungen stillschweigend und unhinterfragt immer wieder angenommen:

1.Alle Waren einschließlich der Tauschware Geld werden in einem vorgeldlichen Bereich hergestellt.

Die Bereitstellung von Waren ist also vom Geld nicht abhängig.

Alle diese Waren treffen erst am Markt aufeinander.

Die Bereitstellung von neuen Verbrauchswaren nach deren Verkauf bereitet kein zeitliches Problem. Das Warenangebot rückt also sofort wieder nach, so dass mit dem weitergegebenen Geld sofort wieder Waren gekauft werden können.

  1. Geld kommt als Tauschware über einen Tauschvorgang in Umlauf. 
  1. Geld ist ab da als Tauschware, als Ding, einfach immer „da“. 
Geld kann so nur verschwinden, wenn die Tauschware missbräuchlich verbraucht oder als Schatz aus dem Verkehr gezogen wird.
4.Der Kauf/Verkauf-Vorgang stellt sich als Tauschvorgang dar, bei dem das Ding „Geld“ gegen andere Dinge getauscht wird.
Geld zirkuliert als niemals verbrauchte Tauschware, die gegen eine Verbrauchsware getauscht wird.

Je rascher dieses Geld zirkuliert – so die Vorstellung -, umso mehr kann verkauft werden, umso reicher ist also die Gesellschaft.

Geldzurückhaltung (Hortung) unterbricht den Kreislauf, Weiterverleihen führt das Geld in den Kreislauf zurück.

Unter Sparen wird das Nichtverwenden des Geldes durch den Sparer und dessen Weiterverleihen an einen Kreditnehmer verstanden.

  1. Kredit setzt das Vorhandensein von Geld und setzt Ersparnisse in Geld zwingend voraus. 
Um Kredite vergeben zu können, müssen die Banken Ersparnisse an sich bringen.
Dazu müssen sie den Sparern Haben-Zinsen zusichern, die sie dann an die Kreditnehmer mit Zuschlag einer Bank-Marge weiterverrechnen müssen.
  1. Der Zins kommt erst dann ins Spiel, wenn irgend wo mitten im Umlauf Geld gespart wird und damit Kredite vergeben werden.
7.Um Zinsen bezahlen zu können, müssen die Banken das gesparte Geld an jemand verleihen, der Zinsen zahlt.
Diese Aussage scheint selbstverständlich und daher entbehrlich. Sie wird aber gemacht, um schon jetzt auf einen entscheidenden Unterschied zum Kreditgeldsystem hinzuweisen. 
Dieses Modell beschreibt den mittelalterlichen Handelskapitalismus, nicht jedoch den Produktions- oder Industriekapitalismus der Neuzeit.Doch noch immer prägt es die Vorstellungen rund um das Geld: So irgendwie als Tauschware kommt auch unser heutiges Geld in den Umlauf, bereitgestellt durch die Zentralbank, die die alleinige Macht zu dessen Bereitstellung hat, so irgendwie funktioniert das alles auch mit dem modernen Geld, dem Sparen und den Krediten. So irgendwie. Geld: Ein A-priori.Doch „nichts genaueres weiß man nicht“.

Die Kredittheorie: Am Anfang ist der Kredit

Wenn ich heute im Supermarkt meine Lebensmittel besorge und an der Kasse dann mit der Bankomat- oder mit der Quick-Karte zahle, so wird mir deutlich bewusst, dass ich dabei nichts tausche. Es wird allein von meinem Gehaltskonto bei meiner Bank der bezahlte Betrag abgebucht und dieser dem Konto des Supermarktes bei seiner Bank zugebucht. Dabei liegt auf meinem Konto keine bestimmte Summe Geldes in verschiedenen Banknoten. Ich habe lediglich eine Forderung in besagter Höhe gegen die Bank, festgehalten auf meinem Konto bei der Bank, der buchhalterisch eine gleich große Verbindlichkeit der Bank mir gegenüber gegenübersteht. Beim Bezahlen reduziert sich meine Forderung gegen die Bank, so auch deren Verbindlichkeit mir gegenüber, nicht aber die Gesamtverbindlichkeit der Bank bzw. des Bankensystems. Es wird nur ein Teil der ursprünglichen Verbindlichkeit mir gegenüber in eine Verbindlichkeit gegen den Supermarkt übertragen.
Diese Übertragung äußert sich nur in den Kundenkonten der Banken, nicht aber in der konsolidierten Bilanz der monetären Finanzinstitutionen (MFI). Es ändert sich nichts an der Gesamtsumme der Forderungen und Verbindlichkeiten. Nur die Kontenzuordnung ändert sich.
Aus dieser konsolidierten Bilanz wird nun aber deutlich, dass Geld keine Tauschware, kein Ding, mehr ist, das als solches irgendwann einmal gegen ein anderes Ding getauscht worden und seit dem im Kreislauf ist.
Auch das Zentralbankgeld, das noch die Erscheinungsform eines Dinges hat, kommt nicht im Austausch gegen ein anderes Ding, eine andere Ware, in den Kreislauf. Wie wir aus der Bilanz der Zentralbank sehen, gelangt das ZB-Geld über einen
an die Geschäftsbanken und von diesen gleichfalls über einen Kredit an eine Nichtbank (Unternehmen, Haushalte, Staat) in den Kreislauf. In beiden Fällen aber haben die Geschäftsbanken schon zu einem früheren ZeitpunktKredite „aus dem Nichts“ vergeben, bei denen sie jene Wechsel oder Wertpapiere als Sicherstellung hereingenommen haben, die sie nun für die Bereitstellung von Bargeld an die Zentralbank abtreten.Dabei erfolgt die Verzinsung bei ersterem über den Abzug eines Agios und bei zweiterem durch Lukrierung der Verzinsung der Wertpapiere während der Zeit der „Pensionierung“ der Wertpapiere inder Zentralbank.
Wenngleich die historische Entwicklung vom Goldgeld als Tauschware hin zum Kreditgeld gelaufen ist und weiter zu immer virtuelleren Geldformen läuft, so steht heute bei alledem ablaufmäßig der Kredit einer Geschäftsbank immer an Anfang. Daraus entsteht virtuelles Geld – und nur auf Verlagen der Bankkunden kommt dann Bargeld, Zentralbankgeld, mit herein in das Zahlungsgeschehen. Abgesehen von der Nutzung der Anonymität des Bargeldes für kriminelle Handlungen, sind es fast ausschließlich die privaten Haushalte, die – mit sinkender Tendenz - noch Bargeld benützen.
Bargeld kommt also nicht im Voraus in den Umlauf, sondern erst im Nachhinein. Da dieses Verlangen der Bankkunden nach Bargeld die Geschäftsbanken jedoch direkt oder indirekt Zinsen kostet, die sie fürZentralbankgeld zu zahlen haben, bemühen sie sich, dieses Verlangen möglichst klein zu halten.
Am Anfang ist der Kredit. Der Kredit einer Geschäftsbank. Und der Kredit wird zu Geld. Das ist das Neue an unserem heutigen Geld, das ein Geld des Industriekapitalismus ist. Der Kredit – also Verschuldung – steht am Anfang. Er steht deshalb am Anfang, weil nur damit die Produktion in einer Gesellschaft begonnen werden kann, in der das Privateigentum konstitutiven Charakter hat.[vii]

Geld: Ein Spannungsverhältnis

Der Kredit der Bank B an den Kreditnehmer, den Produzenten A ist zuerst nur ein gegenseitiges Paar von Forderungen und Verbindlichkeiten: Eine Verbindlichkeit der Bank, (damit eine Forderung des Kreditnehmers), zu zahlen, gleichzeitig aber auch eine Verbindlichkeit des Kreditnehmers, (damit eine Forderung der Bank), rückzuzahlen. Noch heben sich die so gebildeten Spannungsvektorengegenseitig auf. Erst wenn die Forderung des Kreditnehmers von diesem auf einen Dritten C, den Lieferanten von Vorprodukten des A,übertragen wird, „fließt“ Geld. Jetzt heben sich die Vektoren nicht mehr gegenseitig auf. Während das Kreditverhältnis zwischen Kreditnehmer A und Bank B in Form einer Forderung der Bank bzw. einer Verbindlichkeit des Kreditnehmers weiter aufrecht ist, ist die Verbindlichkeit der Bank an den Dritten C in Form einer Forderung gegen diese übertragen worden. A hat nun keine Verbindlichkeit mehr gegenüberC, sondern nur gegenüber der Bank B, C keine Forderung gegen A, aber eine gegen die Bank B. Damit ist Geld entstanden.
Verwendet nun C diese Forderung gegenüber der Bank zur Tilgung seines Kredites, den er vor Beginn der Herstellung des Vorproduktes aufgenommen hat, so hebt sichdie Forderung des C gegen die Bank mit seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank auf.C hat seine Schulden getilgt, das Geld ist wieder verschwunden, ist vernichtet worden.
Geld existiert also nur in dem Zeitraum zwischen dem Eingehen des neuen und dem Tilgen des alten Schuldverhältnisses.
Übrig bleibt nun A als Schuldner. Und zwar mit einer höheren Schuld als C, weil dieser im Preis des Vorproduktes, den A zu zahlen hat, zusätzlich zu seinen Kosten noch Gewinn und Zinsen für den Kredit zurechnet. Diese Schuld des A, der Kredit, äußert sich in der Bankbilanz nun aber nicht als Geld, sondern als Geldvermögen. Geldvermögen entsteht also nicht durch Sparen, sondern durch Verschulden.

Geld ist somit etwas Nicht-Dingliches, das auch verschwinden kann. So wie der elektrische Strom, der zwischen unterschiedlich hohen Spannungspotentialen, zwischen einer Quelle und einer Senke,fließt. Und so wie bei einem Erdschluss das Stromnetz zusammenbricht,verschwindet Geld dann, wenn es zu einem Kurzschluss zwischen Neu- und Altschuldnern kommt. Geld ist also nur solange vorhanden, wie die Fließgeschwindigkeit zwischen Quelle und Senke, den Neu- und Altschuldnern, eine begrenzte ist.

In diesem Sinn ist Geld eine Information über das jeweilige Potential-Verhältnis entweder als Gläubiger oder als Schuldner der kontenführenden Bank. Und da es beim Bezahlen um nichts anderes wie um die Tilgung von Schulden geht, braucht es nicht eines Dinges, sondern genügt die Information über Veränderungen auf dem Konto der Bank. So ist es unerheblich, ob mit Banknoten oder irgend etwas anderem bezahlt wird, womit die Banken über diese Veränderung informiert werden.Bargeld ist also heute eine reine Oberflächenerscheinung, eine umständliche Verpackungsform ohne konstitutiven Einfluss auf den Inhalt. Was bargeldlos über elektronische Datenvernetzung erfolgt, setzt sich bei Bargeldbezahlung als Behebung von Bargeld und Abbuchen des behobenen Betrages vom eigenen Konto, und nach Bezahlung als Einzahlen von Bargeld und Zubuchen auf das andere Konto dar.

Wenn heute jemand sagt, er habe Geld, dann meint sie(er) damit, dass auf ihren (seinen) Konto eine schwarze Zahl steht – und nicht, dass er zuhause eine Truhe voll Banknoten hat.

Dass dieses Bargeld oder Zentralbankgeld nicht konstitutiven Charakter hat, wird auch aus der konsolidierten Bilanz der MFIs erkennbar. Dieses Bargeld findet sich dort nur in Spuren auf der Aktivseite, aber nahezu zur Gänze auf Seite der Passiva neben den täglich fälligen Guthaben, also dem Giralgeld. Diesem Giralgeld steht das Bargeld also nicht gegenüber, baut Giralgeld also nicht auf dem ZB-Geld auf, sondern ist dieses ZB-Geld neben dem Giralgeld noch im Umlauf.Rund 20 Prozent ZB-Geld neben80 Prozent Giralgeld. Tendenz für Bargeld weiterhin sinkend. [viii]

Aus all dem wird erkennbar, dass die Zentralbank die Kontrolle über die umlaufende Geldmenge – so sie sie jemals hatte – längst verloren hat. Der Vorgang, den wir als Geldschöpfung bezeichnen, geht immer mehr in die Hände der Geschäftsbanken über, die aber dazu Partner brauchen: Da Geld mit Verhältnissen zu tun hat, brauchen die Banken ein Gegenüber: Jemanden, der Kredite aufnimmt, jemanden, der sich verschuldet. So wie ein Seil, das auch nur zwischen zwei Fixpunkten gespannt werden kann. So ist auch die Macht der Geschäftsbanken eine beschränkte. Sie ist abhängig von der Bereitschaft der Unternehmen, die wiederum von deren Vertrauen in die zukünftigen Erwartungen (Keynes) abhängt.


Anmerkungen
[i]Beitrag in ‚Interesse’ Heft 2001/1 von Sepp Wall-Strasser
[ii]BEIGEWUM, Was hat der Euro mit den Arbeitslosen zu tun? Wien, 1996, Seite 26
[iii]Geschäftsbericht 1999 der Österr. Nationalbank, Tabelle 14*: Für 1997/98/99: Geldmenge M1 gesamt: 46,9/ 51,3/ 55,8 Mrd. Euro, davon Bargeldumlauf: !0,5/ 10,3/ 11,2 Mrd. Eurobzw. täglich fällige Guthaben (Giralgeld): 36,5/ 40,9/ 44,6 Mrd. Euro. Ähnlich für gesamten Euro-Raum lt. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, II, Bankstatistische Gesamtrechnung, 2. Konsolidierte Bilanz der MFIs: Dez.1998/99: Bargeldumlauf(ohne Kassenbestände der MFIs, ca. 10%) : 323,4/ 349,6 Mrd. Euro, täglich fällige Guthaben (Giralgeld): 1383,4/1541,1 Mrd. Euro
[iv]Paul A. Samuelson, Volkswirtschaftslehre, Bd. I, S. 356, Bund-Verlag, 1975
[v]Auch die üblichen Gebrauchswaren werden ja mit der Zeit ‚verbraucht’.
[vi]Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, S.52, Ullstein, 1994
[vii]Ernst Dorfner, Vom Warenmarkt zum Finanzmarkt, www.dieterb.de/newmoney/texte
[viii]Siehe dazu auch Fußnote 3.