Liebe Freunde einer neuen Geldordnung
(und Kritiker der gegenwärtigen),

ich weiß, dass die ganze Diskussion um Buchgeld und dessen Schöpfung

durch die Geschäftsbanken vielen von euch zum Halse raus hängt.
Angesichts der Qualität, die diese Diskussion stellenweise erreicht hat,
ist das auch kein Wunder, da sich die Positionen inzwischen derart
verhärtet haben, dass keinerlei Annäherung mehr möglich scheint.

Trotzdem möchte ich diejenigen von euch, die - evtl. in Anlehnung an die

z.T. durchaus ernstzunehmenden Argumente von Herrn Creutz - die
Geldschöpfung der Geschäftsbanken anzweifeln oder gar als Unfug ansehen,
bitten, noch einmal in Ruhe zuzuhören oder vielmehr zu lesen, bevor ihr
euch womöglich endgültig frustriert aus der Debatte zurückzieht, was
schade wäre.

Diejenigen von euch, die der gegenteiligen Ansicht sind, bitte ich, sich

zu vergegenwärtigen, wie leicht eine im Kern sachlich korrekte Aussage
durch polemische Übertreibung aber auch durch ausschließliche
Betrachtung von singulären Einzelvorgängen, losgelöst vom Gesamtkontext,
in ihr Gegenteil nämlich kompletten Blödsinn, verkehrt werden kann.

Zur Sache.
 
 

(1) Was ist als Geld anzusehen und was nicht?

=============================================

Das ist offensichtlich nicht zuletzt eine Frage der ökonomischen

Weltanschauung (in Punkto Geld). Ich kenne dazu im wesentlichen drei
theoretische Positionen:

(a) Der funktional-tauschtheoretische Standpunkt (Klassik und

Neoklassik, aber auch Gesell): Geld ist, was immer als universelles(!)
Tausch- und Zahlungsmittel *tatsächlich* verwendet wird, unabhängig von
seiner sonstigen Beschaffenheit.

(b) Der staatlich-rechtliche Standpunkt: Geld ist das, was der Staat

(bzw. ein öffentliches Organ wie die ZB) als gesetzliches Zahlungsmittel
bestimmt und in Umlauf bringt. Eine Variante ist die Vorstellung, dass
immer das als Geld anzusehen ist, was der Staat für Steuerzahlungen
akzeptiert.

(c) Der deckungs-theoretische Standpunkt (Heinsohn und Steiger): Geld

ist ein verbrieftes Anrecht auf Eigentum, das durch Belastung von
Eigentum in Form von Kredit in Umlauf kommt. Die Deckung durch das
Eigentum des Gläubigers muss dabei nicht notwendig von jedermann
einlösbar sein (wie bei unserem heutigen ZB-Geld).

Je nach Definition zählen Giroguthaben (jederzeit fällige, d.h. in

Bargeld umwandelbare Guthaben) bei Geschäftsbanken als Geld oder auch
nicht.

Vertreter von (a) müssen zumindest in unserem heutigen Geldsystem

Giroguthaben als Geld ansehen, da man ja Waren z.B. per Überweisung von
einem Girokonto auf ein anderes bezahlen kann und dies auch in großem
Maßstab tatsächlich geschieht. Einige Menschen sind zwar der Ansicht,
dass Giroguthaben in einer Freiwirtschaft (was auch immer man jetzt
darunter verstehen mag) *nicht* mehr als Zahlungsmittel benutzt würden
oder jedenfalls nicht mehr im gegenwärtigen Umfang. Die Argumente
hierfür mögen einleuchtend sein oder nicht, fest steht: im jetzigen
System werden sie so verwendet, sind also nach Theorie (a) als Geld
anzusehen.

Vertreter von (b)(strikte Variante) sehen Giroguthaben bei

Geschäftsbanken nicht als Geld an, da sie nicht gesetzliches
Zahlungsmittel sind und nicht vom Staat oder einem seiner Organe
herausgegeben werden. Andererseits akzeptiert der Staat Buchgeld für
Steuerzahlungen, was in der abweichenden Variante dafür spricht, dass
sie doch Geld sind.

Vertreter von (c) sehen Giroguthaben als Geld an oder auch nicht, je

nach dem ob es vollständig durch Eigentum des Gläubigers (i.e. der
Banken) und des Schuldners abgedeckt ist. Sie sehen Punkt (a) als
sekundäre Funktion des Geldes an, die sich erst aus Punkt überhaupt
ergibt. Die Vertreter der Auffassung (c) sehen nur in Kreditgeld
eigentliches Geld und glauben zumeist nicht an die Möglichkeit, Geld
*ohne* Kredit zu schaffen.

Ich möchte anfügen, dass die Frage, welcher Teil der Geldmenge, wenn

überhaupt, zur Preisbildung der Endprodukte beiträgt, an dieser Stelle
keine Relevanz hat.

                                **********
 

Damit es irgendwie weitergeht, benutze ich für das folgende eine

pragmatische Geld-Definition, nämlich die (offizielle) Definition der
Geldmenge M1: Geld ist demnach alles Bargeld, was nicht Bankreserve ist,
plus die Summe der Girokonten von Nichtbanken bei Geschäftsbanken.

Diese Definition halte ich für sinnvoll, weil hierdurch der allergrößte

Teil der Zahlungsmittel zusammengefasst werden, die in der Praxis in der
Realwirtschaft unmittelbar zu Zahlungszwecken verwendet werden *können*.
[Die Möglichkeit zum Überziehen der Konten müsste eigentlich
mitgerechnet werden. Aber da die Zinsen für solche Überziehungen extrem
hoch sind, glaube ich nicht, dass man durch Nichtbeachtung dieser
Möglichkeit einen zu großen Fehler macht. Das Bezahlen durch
Kontoüberziehung ist einfach eine verdammt teure Angelegenheit, so dass
ich vermute, dass die meisten Leute es zu vermeiden bestrebt sind. Ich
denke, die Möglichkeit zur Überziehung hat vor allem den Effekt, die aus
dem Vorsichtsmotiv stammende Kassenhaltung einzuschränken.]

Ich ordne mich damit im wesentlichen unter die Vertreter von (a) ein,

d.h. ich vertrete den tauschfunktionalen Standpunkt, auch wenn ich von
ihm nicht restlos überzeugt bin. Übrigens ist dies auch die Definition
der Geldmenge, die Herr Creutz benutzt.

Wer anderer Ansicht ist und Giroguthaben lieber nicht als Geld im

engeren Sinne ansehen will, der ersetze im Folgenden "Buchgeld" durch
"Giroguthaben" und M1 durch "Geld plus Geldersatz". Natürlich kann dann
von keiner Geldschöpfung durch Geschäftsbanken die Rede sein, es muss
dann heißen "Geldersatzschöpfung".

 

(2) Gibt es eine Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken?

=======================================================

Dazu muss man erst mal klären, was unter dieser (angeblichen?)

Geldschöpfung genau zu verstehen ist. Ich möchte die wesentlichen zwei
Sichtweisen einer solche Schöpfung diskutieren, und dabei in einen
geeigneten Kontext stellen, um die immer wieder auftretenden
Missverständnisse auszuräumen. Beide sind nämlich sowohl richtig als
auch falsch, je nach dem, wie man sie interpretiert.

 

(a) [Dieser Punkt wurde insbesondere von Robert Fischer anhand einer

endlosen Reihe von sehr blumigen Beispielen gut verdeutlicht ;]
Buchgeldschöpfung wird hierbei als der (singuläre) Vorgang angesehen, in
dem eine Bank an einen Kunden einen Kredit vergibt, wobei sich die
Bilanz der Bank wie folgt ändert: auf der Aktivseite (Forderungen) kommt
das Rückzahlungsversprechen des Kunden hinzu, auf der Passivseite
(Verbindlichkeiten) in gleicher Höhe ein neugeschaffener Betrag an
Giroguthaben des Kunden. Letztere Verlängerung der Passivseite ist
Buchgeldschöpfung, da hierbei M1 zunimmt.

Der inverse Vorgang ist die Kreditrückzahlung (als ebenfalls singulärer

Vorgang) eine Buchgeldvernichtung, wenn für die Rückzahlung Buchgeld,
also Giroguthaben (bei der selben Bank) verwendet wird.

Bei dieser Betrachtungsweise liegt das Augenmerk auf den "atomaren",

singulären Vorgängen, bei denen tagtäglich Giroguthaben entstehen und
vergehen.

So weit so gut.
 

Verschiedene Beiträge von Leuten, die (zu Recht) vor den Folgen des

gegenwärtigen Kreditgeldsystem warnen (v.a. Gerhard Margreiter, Robert
Fischer aber auch andere) erwecken leider immer wieder den falschen
Eindruck, als wäre der oben geschilderte isoliert stattfindende Vorgang
der Geldschöpfung etwas, was sich auf lange Sicht in beliebiger Höhe von
den Banken fortsetzen ließe, *ohne* auf der anderen Seite einen
entsprechenden Ausgleich zu schaffen. (Vorausgesetzt wird nur, dass
genügend Kreditnehmer bereit seien, Schulden zu machen.)

Es muss hier mal ganz deutlich und klar gesagt werden: dies ist eine

qualitativ völlig andere Aussage und meiner Ansicht nach FALSCH! Wenn
DAS die Behauptung einer Geldschöpfung der Banken ist, dann ist das
blanker Unsinn.

Die Tatsache, dass - einzeln betrachtet - diese Vorgänge genau in oben

beschriebenen Weise stattfinden, ist KEIN Beweis dafür, dass die Banken
auf die dauer BELIEBIG viele solcher Vorgänge akkumulieren können, ohne
entsprechende ausgleichende Vorgänge in Gang zu setzen, die die
Geldmenge wieder reduzieren.

Dafür sorgen die - auch von Robert schon mehrfach erwähnten, aber leider

nicht in den richtigen Kontext zu seinen anderen Aussagen gesetzten -
"Golden Rules of Banking" bzw. die Kontrolle des Bundesaufsichtsamts für
das Kreditwesen. Bei dem oben geschilderten Schöpfungsvorgang verschiebt
sich nämlich das Verhältnis der Laufzeiten zwischen Aktiva und Passiva,
dergestalt dass die Passivseite mehr kurzfristig fällige (Girokonten),
die Aktivseite aber mehr langfristig fällige Posten (Kredite) enthält.
Dieses Ungleichgewicht MUSS von der Bank durch andere Transaktionen
zumindest zu einem gewissen Teil wieder AUSGEGLICHEN werden. Zum
Beispiel dadurch, dass in gleicher Höhe Giroguthaben in Sparguthaben
oder Wertpapiere umgewandelt wird. Der zeitliche Rahmen, in dem dieser
Ausgleich stattzufinden hat, ist so weit ich weiß detailiert
vorgeschrieben.

Umgekehrt (das geht vor allem an Gerhard Margreiter) verringert eine

Umwandlung von Giro- zu Sparguthaben zunächst auch nur *kurzfristig und
isoliert betrachtet* die Geldmenge. Denn dadurch, dass sich nun auf der
Passivseite mehr längerfristige Posten befinden als vorher, steigt
wiederum der Rahmen, in dem die Bank Kredit- und damit Buchgeldschöpfung
betreiben kann, ohne die Regeln der Bankaufsicht zu verletzen.

Es versteht sich von selbst, dass diese Bankregeln nur auf mittlere

Sicht gelten, nicht aber für den einzelnen Vorgang. Dadurch, und durch
die Tatsache, dass die Obergrenze der Buchgeldschöpfung auf längere
Sicht streng begrenzt ist, nicht aber die Untergrenze (die nämlich u.a.
auch von der Bereitschaft des Publikums Kredite aufzunehmen abhängt)
wird dann auch klar, dass die Geldmenge von der ZB nur mittelbar
gesteuert werden kann (nämlich über die kurzfristigen Zinssätze im
Refinanzierungsgeschäft mit den Banken) und dass der Effekt von
Zinsänderungen der ZB immer eine gewisse Zeit braucht, um sich auf die
Geldmenge auszuwirken.

[Die Statistiken, die Herr Creutz u.a. anführt, belegen eindrücklich,

dass die Geldmenge M1 in Deutschland nur in annähernd gleichem Maß
wächst, wie das BIP. Dass Herr Creutz hierin einen Beleg dafür sieht,
dass die Buchgeldschöpfung *überhaupt* nicht stattfindet, ist
bedauerlich, aber auch nicht gänzlich unverständlich, angesichts der zu
Missverständnissen einladenden Polemiken seitens der Buchgeldkritiker
und der dadurch verursachten Konfusion. Ein weiterer Grund für diese
Konfusion liegt in der äußerst lückenhaften Darstellung der
Geldentstehung wie sie sich üblicherweise in den Lehrbüchern findet.
Hier wird fast nie deutlich ausgesprochen, dass heutzutage ALLES Geld
durch Verschuldung in Umlauf gerät (Münzen ausgenommen).]

 

(b) Nach der anderen Sichtweise der Buchgeldschöpfung ist diese ein

längerfristiger und mehrstufiger Vorgang, der dadurch entsteht, dass die
Banken nur einen Teil der Giroguthaben (wie auch immer diese ursprüglich
entstehen) in Form von Mindestreserven (bei der ZB) und
Überschussreserven (bar im Tresor) "halten", den Rest aber
weiterverleihen können, bzw. in Wertpapieren anlegen (sog. Theorie der
Multiplen Geldschöpfung). Diese Sichtweise betrachtet die Vorgänge der
Buchgeld- und Kreditschöpfung auf mittlere bis lange Sicht und versucht,
die theoretische Obergrenze dessen zu berechnen, um welchen Faktor die
Banken auf lange Sicht die ZB-Geldmenge durch Buchgeldschöpfung
vermehren können.

Es läuft darauf hinaus, dass die Geldschöpfung der Banken durch zwei

Faktoren limitiert ist: die Reserven, die die Bank halten muss, also die
Barreserven plus gesetzlich vorgeschriebenr Mindestreserve >R<
(heutzutage fast vernachlässigbare 2%, in mnchen Ländern schon auf Null)
und die sog. "Bargeldquote", d.h. der prozentuelle Anteil der
Girokonten, der im Durchschnitt von den Eignern bar abgehoben wird >B<.
Man kann dann theoretisch den sogenannten Geldschöpfungsmultiplikator

                1

           ------------
            B + R(1-B)

herleiten, der das maximale Verhältnis von M1 zur Bargeldmenge angibt.

(Die Einzelheiten der Rechnung kann man in jedem Lehrbuch über VWL
nachlesen.) [Siehe auch das allerletzte P.S. ganz unten.]

Auch hier: so weit so gut.
 

Leider wird an diesem Punkt in vielen Darstellungen gerade der

entscheidende Teil der Gleichung weggelassen, nämlich die Bargeldquote,
und nur noch auf den Reservesätzen herumgeritten. Gerade letztere sind
aber in der heutigen Praxis im Vergleich zur Bargeldquote sehr klein (2%
in Deutschland), so dass man als sinnvolle Vereinfachung

                1

               ---
                B

schreiben kann (wenn R Null ist oder sehr klein im Vergleich zu B), was

natürlich eine Trivialität ist! Der Geldschöpfungsmultiplikator ist
gleich dem Verhältnis von gesamter Geldmenge zu Bargeldmenge, wer hätte
das gedacht!

Die Vereinfachung
 

                1

               ---
                R

wäre hingegen nur sinnvoll, wenn B Null wäre oder sehr klein in

Vergleich zu R. In diesem Fall, der aber in Wirklichkeit nicht der Fall
ist, wäre die Geldmenge M1 extrem empfindlich gegenüber kleinen
Anderungen der Reservesätze und der Multiplikator bei kleinen Sätzen
extrem groß.

Erhöht man hingegen - in Gedanken - den Mindestreservesatz auf 100%

(R=1), so sieht man sofort, dass danach keinerlei Buchgeldschöpfung mehr
möglich ist, da der Multiplikator dann zu

                1

           ----------- = 1
            B + 1 - B

wird, was mir im Ergebnis irgendwie auch spontan einleuchtet: Das was an

Giralgeld entsteht, verschwindet an Bargeld durch Einlagerung bei der
ZB. Herr Creutz erweckt nun leider immer wieder den Eindruck, als ob DAS
die gängige Realität wäre (wenn er es auch selten explizit ausspricht).

Andererseits sollte jetzt klar sein, warum Herr Creutz in den

Statistiken keinen nennenswerten Einfluss der Änderung der
Mindestreservesätze auf die Buchgeldmenge erkennen kann (und die
Mindestreserve daher in einigen Ländern bereits ganz abgeschafft wurde).
[In den Lehrbuchbeispielen wird - siehe oben - fast immer mit einem
gegenüber der Praxis viel zu hohen Reservesatz gerechnet (10 oder gar
20%), während die Bargeldquote oft unterschätzt wird. Der prinzipielle
Einfluß der beiden Faktoren kommt dadurch in der Rechnung besser zum
Vorschein. Die wirklichen Zahlen werden oft nicht eingesetzt.]

Worauf läuft das hinaus?
 

Auf längere Sicht entscheidet bei den gegenwärtigen niedrigen

Reservesätzen zu einem großen Teil die Bargeldquote, d.h. die real
existierenden Zahlungspraktiken der Wirtschaftssubjekte (Käufer und
Verkäufer) darüber, welcher Anteil an M1 aus Buchgeld und welcher aus
Bargeld besteht, und damit darüber, wie hoch die Buchgeldschöpfung der
Banken maximal ausfallen kann.

Dass die Banken *sehr daran interessiert* sind, den Bargeldverkehr

möglichst zu verringern und durch Buchgeldverkehr zu ersetzen, ist klar:
Denn der Gewinn durch die Zinsen, die auf das von den Banken geschaffene
Buchgeld zu zahlen sind, gehören der Bank, während die Zinsen für das
Bargeld an die ZB gehen (und von da - zumindest in Deutschland - an den
Staat). Wenn die Bargeldquote sehr niedrig wäre, dann würden diese
Gewinne auf jeden Fall erheblich größer ausfallen, als es zur Zeit der
Fall ist. Auch hier empfehle ich den Blick in Statistiken, in diesem
Fall über die Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken, wie sie auch
Herr Creutz anführt.

 

Fazit

=====

Kann man nun in der Tat von einer Geldschöpfung der Banken sprechen?
 

Ich denke ja, denn eins ist ganz klar und geht auch aus den Bankbilanzen

eindeutig hervor: Den Giroguthaben der Kunden steht KEINE entsprechende
Menge an Bargeldreserven der Banken gegenüber, auch nicht, wenn man die
Mindestreserven und überhaupt alle Giroguthaben der Banken bei der ZB
mitrechnet.

Die nötige Sicherheit, genügend Liquidität zur Verfügung zu haben,

erreichen die Banken, indem sie entsprechend viel Geld in frei
handelbare, aber verzinsliche Wertpapiere hoher Bonität (z.B.
Staatsschuldverschreibungen) anlegen, die jederzeit verkauft und damit
zu geld gemacht werden können. Notfalls kauft auch die ZB solche
Papiere.

Nun müssen andererseits ja IRGENDWIE die Zahlen auf die Girokonten

gelangen. Der unter (a) beschriebene Vorgang bietet denn auch die
Erklärung, wie dies im Detail geschieht. Es gibt also eine Geldschöpfung
der Geschäftsbanken, wenn man darunter das Entstehen von Giroguthaben
versteht, denen keine gleich hohen Bargeldreserven gegenüberstehen, so
dass die gesamte Geldmenge (M1) größer ist, als die von der ZB
herausgegebene Geldmenge.

ABER: Die Geldschöpfung der Banken ist STRIKT LIMITIERT durch eine Reihe

von Faktoren:

  (i) die Bargeldmenge (genauer: Zentralbankgeldmenge),

 (ii) die Bereitschaft der Realwirtschaft zur Kreditaufnahme,
(iii) die Bargeldquote,
 (iv) die Vorschriften (und Kontrollen) der Bankaufsicht,
  (v) die Mindestreservevorschriften + Kassenhaltung der Banken.

Es ist also falsch zu sagen, dass die Banken NACH BELIEBEN Geld schöpfen

könnten. Ebenso falsch ist aber die Behauptung, es gäbe ÜBERHAUPT KEINE
Buchgeldschöpfung.

Ich hoffe, durch die Gegenüberstellung der Sichtweisen (a) und (b) etwas

mehr Klarheit hergestellt zu haben. Über viele Details, kann man sicher
vortrefflich streiten und sollte es auch. Sich aber extremistische,
polemische oder einfach nur undifferenzierte Äußerungen, die auf eine
der beiden Aussagen des vorigen Absatzes hinauslaufen, an den Kopf zu
werfen, führt bloß zu sinnlosem Gerede um den heißen Brei herum (resp.
der Tanz ums goldene Kalb) und macht zudem die ganze Diskussion um eine
neue Geldordnung in der Öffentlichkeit lächerlich.

Ben
 

P.S.: Einiges in meiner Darstellung ist vereinfacht - aus Gründen der

Kürze und Verständlichkeit und nicht zuletzt aufgrund mangelnder
Detailkenntnisse meinerseits. Ich hoffe, dadurch keine entscheidenden
Fehler gemacht zu haben.
P.P.S.: Auf den Zusammenhang mit der Gesell'schen Umlaufgebühr bin ich
absichtlich nicht eingegangen, um den Rahmen nicht zu sprengen.
P.P.P.S.: Nach dem Durchsehen ist mir der Gedanke gekommen, dass man die
Vorschriften der Bankaufsicht bzw. die "Golden Rules" eigentlich
irgendwie in der Multiplikatorgleichung mit unterbringen müsste.
Liebe Freunde einer neuen Geldordnung
(und Kritiker der gegenwärtigen),

ich weiß, dass die ganze Diskussion um Buchgeld und dessen Schöpfung

durch die Geschäftsbanken vielen von euch zum Halse raus hängt.
Angesichts der Qualität, die diese Diskussion stellenweise erreicht hat,
ist das auch kein Wunder, da sich die Positionen inzwischen derart
verhärtet haben, dass keinerlei Annäherung mehr möglich scheint.

Trotzdem möchte ich diejenigen von euch, die - evtl. in Anlehnung an die

z.T. durchaus ernstzunehmenden Argumente von Herrn Creutz - die
Geldschöpfung der Geschäftsbanken anzweifeln oder gar als Unfug ansehen,
bitten, noch einmal in Ruhe zuzuhören oder vielmehr zu lesen, bevor ihr
euch womöglich endgültig frustriert aus der Debatte zurückzieht, was
schade wäre.

Diejenigen von euch, die der gegenteiligen Ansicht sind, bitte ich, sich

zu vergegenwärtigen, wie leicht eine im Kern sachlich korrekte Aussage
durch polemische Übertreibung aber auch durch ausschließliche
Betrachtung von singulären Einzelvorgängen, losgelöst vom Gesamtkontext,
in ihr Gegenteil nämlich kompletten Blödsinn, verkehrt werden kann.

Zur Sache.
 
 

(1) Was ist als Geld anzusehen und was nicht?

=============================================

Das ist offensichtlich nicht zuletzt eine Frage der ökonomischen

Weltanschauung (in Punkto Geld). Ich kenne dazu im wesentlichen drei
theoretische Positionen:

(a) Der funktional-tauschtheoretische Standpunkt (Klassik und

Neoklassik, aber auch Gesell): Geld ist, was immer als universelles(!)
Tausch- und Zahlungsmittel *tatsächlich* verwendet wird, unabhängig von
seiner sonstigen Beschaffenheit.

(b) Der staatlich-rechtliche Standpunkt: Geld ist das, was der Staat

(bzw. ein öffentliches Organ wie die ZB) als gesetzliches Zahlungsmittel
bestimmt und in Umlauf bringt. Eine Variante ist die Vorstellung, dass
immer das als Geld anzusehen ist, was der Staat für Steuerzahlungen
akzeptiert.

(c) Der deckungs-theoretische Standpunkt (Heinsohn und Steiger): Geld

ist ein verbrieftes Anrecht auf Eigentum, das durch Belastung von
Eigentum in Form von Kredit in Umlauf kommt. Die Deckung durch das
Eigentum des Gläubigers muss dabei nicht notwendig von jedermann
einlösbar sein (wie bei unserem heutigen ZB-Geld).

Je nach Definition zählen Giroguthaben (jederzeit fällige, d.h. in

Bargeld umwandelbare Guthaben) bei Geschäftsbanken als Geld oder auch
nicht.

Vertreter von (a) müssen zumindest in unserem heutigen Geldsystem

Giroguthaben als Geld ansehen, da man ja Waren z.B. per Überweisung von
einem Girokonto auf ein anderes bezahlen kann und dies auch in großem
Maßstab tatsächlich geschieht. Einige Menschen sind zwar der Ansicht,
dass Giroguthaben in einer Freiwirtschaft (was auch immer man jetzt
darunter verstehen mag) *nicht* mehr als Zahlungsmittel benutzt würden
oder jedenfalls nicht mehr im gegenwärtigen Umfang. Die Argumente
hierfür mögen einleuchtend sein oder nicht, fest steht: im jetzigen
System werden sie so verwendet, sind also nach Theorie (a) als Geld
anzusehen.

Vertreter von (b)(strikte Variante) sehen Giroguthaben bei

Geschäftsbanken nicht als Geld an, da sie nicht gesetzliches
Zahlungsmittel sind und nicht vom Staat oder einem seiner Organe
herausgegeben werden. Andererseits akzeptiert der Staat Buchgeld für
Steuerzahlungen, was in der abweichenden Variante dafür spricht, dass
sie doch Geld sind.

Vertreter von (c) sehen Giroguthaben als Geld an oder auch nicht, je

nach dem ob es vollständig durch Eigentum des Gläubigers (i.e. der
Banken) und des Schuldners abgedeckt ist. Sie sehen Punkt (a) als
sekundäre Funktion des Geldes an, die sich erst aus Punkt überhaupt
ergibt. Die Vertreter der Auffassung (c) sehen nur in Kreditgeld
eigentliches Geld und glauben zumeist nicht an die Möglichkeit, Geld
*ohne* Kredit zu schaffen.

Ich möchte anfügen, dass die Frage, welcher Teil der Geldmenge, wenn

überhaupt, zur Preisbildung der Endprodukte beiträgt, an dieser Stelle
keine Relevanz hat.

                             **********
 

Damit es irgendwie weitergeht, benutze ich für das folgende eine

pragmatische Geld-Definition, nämlich die (offizielle) Definition der
Geldmenge M1: Geld ist demnach alles Bargeld, was nicht Bankreserve ist,
plus die Summe der Girokonten von Nichtbanken bei Geschäftsbanken.

Diese Definition halte ich für sinnvoll, weil hierdurch der allergrößte

Teil der Zahlungsmittel zusammengefasst werden, die in der Praxis in der
Realwirtschaft unmittelbar zu Zahlungszwecken verwendet werden *können*.
[Die Möglichkeit zum Überziehen der Konten müsste eigentlich
mitgerechnet werden. Aber da die Zinsen für solche Überziehungen extrem
hoch sind, glaube ich nicht, dass man durch Nichtbeachtung dieser
Möglichkeit einen zu großen Fehler macht. Das Bezahlen durch
Kontoüberziehung ist einfach eine verdammt teure Angelegenheit, so dass
ich vermute, dass die meisten Leute es zu vermeiden bestrebt sind. Ich
denke, die Möglichkeit zur Überziehung hat vor allem den Effekt, die aus
dem Vorsichtsmotiv stammende Kassenhaltung einzuschränken. (Siehe aber auch einschränkend mein P.P.P.S.)]

Ich ordne mich damit im wesentlichen unter die Vertreter von (a) ein,

d.h. ich vertrete den tauschfunktionalen Standpunkt, auch wenn ich von
ihm nicht restlos überzeugt bin. Übrigens ist dies auch die Definition
der Geldmenge, die Herr Creutz benutzt.

Wer anderer Ansicht ist und Giroguthaben lieber nicht als Geld im

engeren Sinne ansehen will, der ersetze im Folgenden "Buchgeld" durch
"Giroguthaben" und M1 durch "Geld plus Geldersatz". Natürlich kann dann
von keiner Geldschöpfung durch Geschäftsbanken die Rede sein, es muss
dann heißen "Geldersatzschöpfung".

 

(2) Gibt es eine Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken?

=======================================================

Dazu muss man erst mal klären, was unter dieser (angeblichen?)

Geldschöpfung genau zu verstehen ist. Ich möchte die wesentlichen zwei
Sichtweisen einer solche Schöpfung diskutieren, und dabei in einen
geeigneten Kontext stellen, um die immer wieder auftretenden
Missverständnisse auszuräumen. Beide sind nämlich sowohl richtig als
auch falsch, je nach dem, wie man sie interpretiert.

 

(a) [Dieser Punkt wurde insbesondere von Robert Fischer anhand einer

endlosen Reihe von sehr blumigen Beispielen gut verdeutlicht ;]
Buchgeldschöpfung wird hierbei als der (singuläre) Vorgang angesehen, in
dem eine Bank an einen Kunden einen Kredit vergibt, wobei sich die
Bilanz der Bank wie folgt ändert: auf der Aktivseite (Forderungen) kommt
das Rückzahlungsversprechen des Kunden hinzu, auf der Passivseite
(Verbindlichkeiten) in gleicher Höhe ein neugeschaffener Betrag an
Giroguthaben des Kunden. Letztere Verlängerung der Passivseite ist
Buchgeldschöpfung, da hierbei M1 zunimmt.

Der inverse Vorgang ist die Kreditrückzahlung (als ebenfalls singulärer

Vorgang) eine Buchgeldvernichtung, wenn für die Rückzahlung Buchgeld,
also Giroguthaben (bei der selben Bank) verwendet wird.

Bei dieser Betrachtungsweise liegt das Augenmerk auf den "atomaren",

singulären Vorgängen, bei denen tagtäglich Giroguthaben entstehen und
vergehen.

So weit so gut.
 

Verschiedene Beiträge von Leuten, die (zu Recht) vor den Folgen des

gegenwärtigen Kreditgeldsystem warnen (v.a. Gerhard Margreiter, Robert
Fischer aber auch andere) erwecken leider immer wieder den falschen
Eindruck, als wäre der oben geschilderte isoliert stattfindende Vorgang
der Geldschöpfung etwas, was sich auf lange Sicht in beliebiger Höhe von
den Banken fortsetzen ließe, *ohne* auf der anderen Seite einen
entsprechenden Ausgleich zu schaffen. (Vorausgesetzt wird nur, dass
genügend Kreditnehmer bereit seien, Schulden zu machen.)

Es muss hier mal ganz deutlich und klar gesagt werden: dies ist eine

qualitativ völlig andere Aussage und meiner Ansicht nach FALSCH! Wenn
DAS die Behauptung einer Geldschöpfung der Banken ist, dann ist das
blanker Unsinn.

Die Tatsache, dass - einzeln betrachtet - diese Vorgänge genau in oben

beschriebenen Weise stattfinden, ist KEIN Beweis dafür, dass die Banken
auf die dauer BELIEBIG viele solcher Vorgänge akkumulieren können, ohne
entsprechende ausgleichende Vorgänge in Gang zu setzen, die die
Geldmenge wieder reduzieren.

Dafür sorgen die - auch von Robert schon mehrfach erwähnten, aber leider

nicht in den richtigen Kontext zu seinen anderen Aussagen gesetzten -
"Golden Rules of Banking" bzw. die Kontrolle des Bundesaufsichtsamts für
das Kreditwesen. Bei dem oben geschilderten Schöpfungsvorgang verschiebt
sich nämlich das Verhältnis der Laufzeiten zwischen Aktiva und Passiva,
dergestalt dass die Passivseite mehr kurzfristig fällige (Girokonten),
die Aktivseite aber mehr langfristig fällige Posten (Kredite) enthält.
Dieses Ungleichgewicht MUSS von der Bank durch andere Transaktionen
zumindest zu einem gewissen Teil wieder AUSGEGLICHEN werden. Zum
Beispiel dadurch, dass in gleicher Höhe Giroguthaben in Sparguthaben
oder Wertpapiere umgewandelt wird. Der zeitliche Rahmen, in dem dieser
Ausgleich stattzufinden hat, ist so weit ich weiß detailiert
vorgeschrieben.

Umgekehrt (das geht vor allem an Gerhard Margreiter) verringert eine

Umwandlung von Giro- zu Sparguthaben zunächst auch nur *kurzfristig und
isoliert betrachtet* die Geldmenge. Denn dadurch, dass sich nun auf der
Passivseite mehr längerfristige Posten befinden als vorher, steigt
wiederum der Rahmen, in dem die Bank Kredit- und damit Buchgeldschöpfung
betreiben kann, ohne die Regeln der Bankaufsicht zu verletzen.

Es versteht sich von selbst, dass diese Bankregeln nur auf mittlere

Sicht gelten, nicht aber für den einzelnen Vorgang. Dadurch, und durch
die Tatsache, dass die Obergrenze der Buchgeldschöpfung auf längere
Sicht streng begrenzt ist, nicht aber die Untergrenze (die nämlich u.a.
auch von der Bereitschaft des Publikums Kredite aufzunehmen abhängt)
wird dann auch klar, dass die Geldmenge von der ZB nur mittelbar
gesteuert werden kann (nämlich über die kurzfristigen Zinssätze im
Refinanzierungsgeschäft mit den Banken) und dass der Effekt von
Zinsänderungen der ZB immer eine gewisse Zeit braucht, um sich auf die
Geldmenge auszuwirken.

[Die Statistiken, die Herr Creutz u.a. anführt, belegen eindrücklich,

dass die Geldmenge M1 in Deutschland nur in annähernd gleichem Maß
wächst, wie das BIP. Dass Herr Creutz hierin einen Beleg dafür sieht,
dass die Buchgeldschöpfung *überhaupt* nicht stattfindet, ist
bedauerlich, aber auch nicht gänzlich unverständlich, angesichts der zu
Missverständnissen einladenden Polemiken seitens der Buchgeldkritiker
und der dadurch verursachten Konfusion. Ein weiterer Grund für diese
Konfusion liegt in der äußerst lückenhaften Darstellung der
Geldentstehung wie sie sich üblicherweise in den Lehrbüchern findet.
Hier wird fast nie deutlich ausgesprochen, dass heutzutage ALLES Geld
durch Verschuldung in Umlauf gerät (Münzen ausgenommen).]

 

(b) Nach der anderen Sichtweise der Buchgeldschöpfung ist diese ein

längerfristiger und mehrstufiger Vorgang, der dadurch entsteht, dass die
Banken nur einen Teil der Giroguthaben (wie auch immer diese ursprüglich
entstehen) in Form von Mindestreserven (bei der ZB) und
Überschussreserven (bar im Tresor) "halten", den Rest aber
weiterverleihen können, bzw. in Wertpapieren anlegen (sog. Theorie der
Multiplen Geldschöpfung). Diese Sichtweise betrachtet die Vorgänge der
Buchgeld- und Kreditschöpfung auf mittlere bis lange Sicht und versucht,
die theoretische Obergrenze dessen zu berechnen, um welchen Faktor die
Banken auf lange Sicht die ZB-Geldmenge durch Buchgeldschöpfung
vermehren können, genügend hohe Nachfrage nach Krediten vorausgesetzt.

Es läuft darauf hinaus, dass das Geldschöpfungspotential der Banken

durch drei Faktoren limitiert ist:

(i) Die Reserven, die die Bank halten muss, also die Barreserven plus

gesetzlich vorgeschriebener Mindestreserve >r< (heutzutage fast
vernachlässigbare 2%, in manchen Ländern schon auf Null).

(ii) Die sog. "Bargeldquote", d.h. der prozentuelle Anteil der

Girokonten, der im Durchschnitt von den Eignern bar abgehoben wird >c<.

(iii) Die durch die Bankregeln gegebene Untergrenze >s< des

Verhältnisses von Sparguthaben zu gesamter Kreditvergabe.

Man kann dann theoretisch den sogenannten Geldschöpfungsmultiplikator
 

                        1-s

        m = -----------------------------
             (1-s) * (c + r*(1-c)) + r*s

herleiten, der das maximale Verhältnis von M1 zur Zentralbank-Geldmenge

angibt. [Zu Berechnung und weiteren Kommentaren siehe Anhang.]

Auch hier: so weit so gut.
 

Diese Formel wird man allerdings in keinem Lehrbuch finden. Das liegt

daran, dass die Lehrbücher an dieser Stelle einfach die
Geldmengendefinition M2 verwenden, in der auch die Sparguthaben als
Geld zählen. Der Faktor s kann dann kurzerhand zu Null angesetzt werden
und wir erhalten die in den Lehrbüchern üblicherweise angegebene Formel:

                  1

        m = -------------
             c + r*(1-c)

 

Abgesehen davon, dass diese Vereinfachung (M2 statt M1) nirgendwo

erklärt oder gerechtfertigt wird, wird in den Lehrbüchern nun darüber
hinaus auch noch der wesentlichere Teil der Rest-Gleichung weggelassen
oder ignoriert, nämlich die Bargeldquote, und nur noch auf den
Reservesätzen herumgeritten. Gerade letztere sind aber in der heutigen
Praxis im Vergleich zur Bargeldquote sehr klein (2% in Deutschland).

Ich habe im Anhang in die korrekte Formel sowohl realistische wie auch

hypothetische Zahlen eingesetzt, um abschätzen zu können, inwieweit die
Ergebnisse den Erwartungen entsprechen.

Fazit

=====

Kann man nun in der Tat von einer Geldschöpfung der Banken sprechen?
 

Ich denke ja, denn eins ist ganz klar und geht auch aus den Bankbilanzen

eindeutig hervor: Den Giroguthaben der Kunden steht KEINE entsprechende
Menge an Bargeldreserven der Banken gegenüber, auch nicht, wenn man die
Mindestreserven und überhaupt alle Giroguthaben der Banken bei der ZB
mitrechnet.

Die nötige Sicherheit, genügend Liquidität zur Verfügung zu haben,

erreichen die Banken, indem sie entsprechend viel Geld in frei
handelbare, aber verzinsliche Wertpapiere hoher Bonität (z.B.
Staatsschuldverschreibungen) anlegen, die jederzeit verkauft und damit
zu Geld gemacht werden können. Notfalls kauft auch die ZB solche
Papiere.

Nun müssen andererseits ja IRGENDWIE die Zahlen auf die Girokonten

gelangen. Der unter (a) beschriebene Vorgang bietet denn auch die
Erklärung, wie dies im Detail geschieht. Es gibt also eine Geldschöpfung
der Geschäftsbanken, wenn man darunter das Entstehen von Giroguthaben
versteht, denen keine gleich hohen Bargeldreserven gegenüberstehen, so
dass die gesamte Geldmenge (M1) größer ist, als die von der ZB
herausgegebene Geldmenge.

ABER: Die Geldschöpfung der Banken ist STRIKT LIMITIERT durch eine Reihe

von Faktoren:

  (i) die Bargeldmenge (genauer: Zentralbankgeldmenge),

 (ii) die Bereitschaft der Realwirtschaft zur Kreditaufnahme,
(iii) die Bargeldquote,
 (iv) die Vorschriften (und Kontrollen) der Bankaufsicht,
  (v) die Mindestreservevorschriften + Kassenhaltung der Banken.

Es ist also falsch zu sagen, dass die Banken NACH BELIEBEN Geld schöpfen

könnten. Ebenso falsch ist aber die Behauptung, es gäbe ÜBERHAUPT KEINE
Buchgeldschöpfung.

Ich hoffe, durch die Gegenüberstellung der Sichtweisen (a) und (b) etwas

mehr Klarheit hergestellt zu haben. Über viele Details, kann man sicher
vortrefflich streiten und sollte es auch. Sich aber extremistische,
polemische oder einfach nur undifferenzierte Äußerungen, die auf eine
der beiden Aussagen des vorigen Absatzes hinauslaufen, an den Kopf zu
werfen, führt bloß zu sinnlosem Gerede um den heißen Brei herum (resp.
Tanz ums goldene Kalb) und macht zudem die ganze Diskussion um eine neue
Geldordnung in der Öffentlichkeit lächerlich.

Ben
 

P.S.: Einiges in meiner Darstellung ist vereinfacht - aus Gründen der

Kürze und Verständlichkeit und nicht zuletzt aufgrund mangelnder
Detailkenntnisse meinerseits. Ich hoffe, dadurch keine entscheidenden
Fehler gemacht zu haben.

P.P.S.: Auf den Zusammenhang mit der Gesell'schen Umlaufgebühr bin ich

absichtlich nicht eingegangen, um den Rahmen nicht zu sprengen.

P.P.P.S.: Seit ich Roberts Aufstellung über die tatsächliche

Größenordnung von genutzten und ungenutzten Überziehungslimiten gesehen
habe, beginne ich daran zu zweifeln, ob M1 wirklich eine sinnvolle
Definition der Geldmenge sein kann.

 

                      Anhang zum Multiplikator

                      ************************

Bargeldquote

============

Statische Betrachtung: Man nimmt an, dass die Bankkunden einen Anteil c

ihres Geldes bar halten, den Rest in Form von Giroguthaben. Die
Kassenhaltung der Bankkunden erfolgt also im durchschnittlichen
Verhältnis c : (1-c) zwischen Bargeld : Giralgeld.

Dynamische Betrachtung (Geldflüsse): Wenn einer dM Geld dazu bekommt

(z.B. Einkommen oder auch Kreditaufnahme), so hebt er sogleich c*dM bar
ab. Wenn er dM "verliert" (durch Kauf einer Ware z.B.), dann tut er das
zu c*dM bar und (1-c)*dM unbar.

Beide Sichtweisen sind offensichtlich äquivalent.
 

Das durchschnittliche c ist die Bargeldquote (Definition).
 

Reserven

========

Hierzu gehören die Mindestreserve bei der ZB, die Barreserven, und die

darüber hinaus für den Zahlungsverkehr zwischen den Banken zusätzlich
notwendigen Giroguthaben der Banken bei der ZB. Wir nehmen an, dass die
Banken insgesamt von allen "Einlagen" (Guthaben) E ihrer Kundschaft
einen Teil r*E als Reserven zurücklegen müssen.

Die Banken halten den größten Teil dieser Reserven als ZB-Giro. Zur

Vereinfachung der Betrachtung kann man aber so tun (und macht dabei
keinen Fehler), wie wenn all dieses Geld Bargeld wäre.

Man beachte, dass dieser Reservesatz r sich nicht auf die Geldmenge

bezieht, sondern auf sämtliche Einlagen der Bankkunden bei den Banken.
In unserem vereinfachten Modell also auf Buchgeld (Girokonten) plus
Sparkonten.

Sparkonten

==========

Wir fassen die "Golden Rules of Banking" und die Vorschriften der

Bankenaufsicht in einem gemeinsamen Faktor zusammen, indem wir
vereinfachend annehmen, dass das Verhältnis von Sparguthaben S zur
gesamten Kreditvergabe X die Untergrenze s nicht unterschreiten darf.
Die Banken sind dann darauf angewiesen, dass sie genügend hohe
Spareinlagen haben.

Multiplikator

=============

Wir beachten den Umstand dass Geld durch Kreditvergabe in die Wirtschaft

gelangt. Die ZBen verleihen Geld nur an die Banken, nicht aber an andere
Wirtschaftsteilnehmer. Die letzteren kommen an Bargeld also nur, indem
sie vorher ein Girokonto bei der Bank eröffnen. Die Girokonten entstehen
ursprünglich durch den folgenden singulären Vorgang der Geldschöpfung
per Bilanzverlängerung:

Aktiva: + dX Kredite

Passiva: + dX Buchgeld (zunächst, kurzfristig)

Bis zu welchem Maß können die Banken dies auf lange Sicht betreiben,

wenn man die drei o.g. limitierenden Größen berücksichtigt?

Im Moment der Kreditschöpfung haben wir noch dX = dG, d.h. zusätzliche

Kreditvergabe = zusätzliche Giralgeldmenge.

Da aber mittelfristig ein Teil der gesamten Kreditvergabe X in

Sparkonten S umgewandelt werden muss und damit aus der Geldmenge M = M1
herausfällt, bleibt für diese nur noch der Rest übrig:

        X = S + M = s*X + M
 

oder auch
 

(1)     M = (1-s)*X.
 

Ein Teil davon geht als Bargeld an die Kundschaft, ein anderer Teil muss

als Reserve gehalten werden. Für beide Teile muss sich die Bank zum
Ausgleich bei der ZB verschulden. Das Geld, welches die ZB herausgibt
(sog. Zentralbank-Geldmenge oder auch Geldbasis) setzt sich also
zusammen aus:

- c*M = Bargeld für die Kunden, sowie

- r*(G+S) = Bankreserven (inkl. Mindestreserve),

Nennen wir die ZB-Geldmenge Z, dann ist also
 

(2)     Z = c*M + r*(G+S)
 

Die Giralgeldmenge auszurechnen ist einfach: wenn c die Bargeldquote

ist, dann ist (1-c) die Buchgeldquote, d.h.

        G = (1-c)*M
 

und wenn man nun (1) einsetzt, bekommt man
 

(3)     G = (1-c)*(1-s)*X
 

Wir interessieren uns für den Geldschöpfungsmultiplikator m , d.h. das

Verhältnis von gesamter Geldmenge M zu ZB-Geldmenge Z:

        m = M / Z
 

Das können wir jetzt ausrechnen. Setzt man Formel (2) für Z ein, dann

ist

                   M

        m = ---------------
             c*M + r*(G+S)

Jetzt kann man Formel (1) für M, Formel (3) für G und die Definition von

s (nämlich S=s*X) für S einsetzen und erhält:

                          (1-s)*X

        m = -------------------------------------
             c*(1-s)*X + r*((1-c)*(1-s)*X + s*X)

Die gesamte Kreditvergabe X kürzt sich raus und man bekommt:
 

                         (1-s)

        m = -------------------------------
             c*(1-s) + r*(1-c)*(1-s) + r*s

oder auch
 

                      (1-s)

        m = ---------------------------
             (1-s)*(c + r*(1-c)) + r*s

 

Zahlenbeispiele

===============

Setzen wir doch mal konkrete Zahlen ein. Die Bargeldquote ist heutzutage

etwa 33%, die Reserven setze ich bei 2.5% an. Bei einem angenommenen
"Mindestsparsatz" von 90% ergibt sich:

s = 90%, r = 2.5%, c = 33%        => m ~ 1.75
 

oder bei s = 80%
 

s = 80%, r = 2.5%, c = 33%        => m ~ 2.24
 

Das sieht, denke ich, halbwegs realistisch aus.
 

Nur zum Spaß den umgekehrten Fall, dass die Einlagen der Banken zu 90%

die Form von Girokonten hätten (das ist reine Theorie):

s = 10%, r = 2.5%, c = 33%      => m ~ 2.86
 

Das ist kaum noch wesentlich mehr, als bei s = 0.8! Im Grenzfall s = 0

haben wir dann

s =  0%, r = 2.5%, c = 33%      => m ~ 2.88
 

Der Grenzfall s = 100% ist auch interessant:
 

s = 100%, r = egal, c = egal    => m = 0
 

Das ist gewissermaßen der "Creutz'sche" Grenzfall ("die Banken können

nur verleihen, was an Spargeldern eingezahlt wurde"), es gibt dann
tatsächlich überhaupt keine Geldschöpfung der Banken. Nur dass Herr
Creutz ja selber die Bankaufsicht zitiert, die besagt, die Banken
könnten von den Giroguthaben ihrer Kunden immerhin "10% längerfristig"
weiterverleihen.

Was folgt aus alldem? Wenn die Bankaufsicht sehr streng ist (s nahe bei

1), dann hat sie einen großen Einfluss auf den Multiplikator. Ist sie
auch nur etwas schwächer (s unter 0.9), dann ist ihr Einfluss fast
vernachlässigbar.

Die Behauptung, dass Bankreserven *gar* keine Rolle mehr spielen würde

(sozusagen der "Margreiter'sche Grenzfall") kann nicht überzeugen, da
bei r = 0 nämlich m = 1/c wird und damit z.B.

s = egal, r = 0%, c = 33%       => m ~ 3,
 

was sich doch deutlich vom Ergebnis m = 1.75 (bei r = 2.5%)

unterscheidet. Aber man kann natürlich der Ansicht sein, dass der
derzeitige *Mindest*reservesatz schon die Untergrenze desssen ausmacht,
was die Banken sowieso für wehselseitige Überweisungen brauchen.
(Andererseits: warum sollen sie nicht prinzipiell auch ihr ZB-Giro
überziehen können? Dann könnte der ZB-Kontostand im Durchschnitt Null
sein.)

Theoretisch interessant ist auch die Frage, was heraus kommt, wenn man

den Mindestreservesatz auf 100% hoch setzt. Hier ist die Antwort:

s = 90%, r = 100%, c = egal     => m = 0.1,
 

was man auch abstrakt sehen kann, da sich für r = 1 die Formel zu
 

                        1-s                 1-s

        m = ------------------------- = ----------- = 1-s
             (1-s) * (c + (1-c)) + s     (1-s) + s

vereinfacht. Hierbei wäre die Geldschöpfung der Banken stark

eingeschränkt (nämlich direkt durch die Regulierung der Banken) und die
Bargeldquote wäre für den Multiplikator bedeutungslos.

Als letztes die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Leute gar

kein Bargeld mehr benutzen würden (c = 0), quasi das Ergebnis, welches
Gerhard für den Fall der Einführung einer Umlaufgebühr ohne vorherige
Abschaffung des Kreditgeldsystems prophezeit:

                   1-s            1-s        1-s

        m = --------------- = ----------- = -----
             (1-s)*r + r*s     r*(1-s+s)      r

also etwa
 

s = 90%, r = 2.5%, c = 0%       => m = 4
 

aber schon bei s = 80% wird es doppelt so viel, nämlich
 

s = 80%, r = 2.5%, c = 0%       => m = 8
 

Selbst wenn man s=100% verlangt (m = 1/r), bleibt die Geldmenge nur

kontrollierbar, wenn man die Mindestreserve genügend hoch ansetzt (mehr als 10%).
Ben